Seit 2006 habe ich vier Übersetzer-Blogs betrieben und dadurch viele Möglichkeiten zum Netzwerken mit Kollegen aus verschiedenen Ländern und unterschiedlichen Arbeitsgebieten genutzt. Zunächst hatte ich einen einsprachigen Blog auf Portugiesisch für den Austausch mit Kollegen aus Brasilien. Dem folgte ein ambitionierteres Projekt: ein dreisprachiger Blog mit weit mehr Inhalten, der knapp 2 Millionen Besucher erreicht hat und aus dem ein erfolgreiches Buch wurde. Nach fünf Jahren intensivem Netzwerken mit der internationalen Übersetzungsbranche gründete ich einen Blog mit strukturierten didaktischen Inhalten für angehende Portugiesisch-Übersetzer. Heute habe ich nur noch den vorliegenden Blog für Kunden meines Übersetzungsbüros.
Was ich als bloggender Übersetzer bisher gelernt habe, davon erzähle ich im achten Teil der Artikelreihe zu meinem 25-jährigen Bestehen in der Übersetzungsbranche.
Inhaltsverzeichnis
Übersetzer sind nicht unbedingt die nettesten Kollegen
Meinen ersten Blog – mit dem Namen „Vivendo e Traduzindo“ (zu Deutsch: Tagebuch eines Übersetzers) – habe ich 2006 gegründet. Die Idee war, mich mit der brasilianischen Übersetzungsbranche auszutauschen und interessantes Wissen rund um den Übersetzerberuf zu teilen – alles in einer lockeren Atmosphäre und ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit oder Systematik.
Ich war damals bereits 10 Jahre als Übersetzer tätig, hatte aber erst ein paar Jahre davor meinen ersten Kontakt mit Übersetzern von außerhalb meines Wohnortes. Mit meinem Blog konnte ich vor allem die Neugier der Kollegen erwecken (Übersetzer sind von Natur aus neugierige Menschen!), aber auch gute virtuelle Freunde, ein paar Kunden aus dem Verlagswesen und nicht wenige Feinde gewinnen.
Schnell kristallisierte sich heraus, wie hart umkämpft der Sprachbereich Englisch war bzw. ist. Gerade deshalb fühlten sich einige Übersetzerkollegen mit Arbeitssprache Englisch offenbar beleidigt, als ich beispielsweise über meine eigenen übersetzerischen Workflows oder meine persönlichen Beobachtungen aus der Branche gepostet habe, als ob deren Arbeitsweisen durch die meine ungültig gemacht würden. Andere haben sogar böse anonyme Kommentare hinterlassen und versucht, mich einzuschüchtern.
Und es gab auch welche, die so neugierig waren (und offenbar so viel Zeit in ihren Händen hatten), dass sie mich – auch von anderen Ländern aus – per Skype angerufen haben, in der Hoffnung, mich in dubiose Gespräche zu verwickeln. Das waren allesamt Übersetzer für Englisch. Von den Kollegen mit Arbeitssprache Deutsch wurde ich dagegen viel freundlicher und weniger misstrauisch aufgenommen. Das hängt sicherlich mit der härteren Konkurrenz auf dem Übersetzungsmarkt für die häufigste Arbeitssprache Englisch zusammen, wo Kollegen mit vergleichbaren Qualifikationen in erster Linie als Konkurrenten angesehen werden.
Übersetzer sind leidenschaftliche Netzwerker

In meinem zweiten Blog wollte ich ein internationales Publikum erreichen. Sein Name „Fidus Interpres“ stammte aus dem Werk „Ars poetica“ von Horaz und bedeutet „treuer Übersetzer“. Gepostet wurde auf Englisch, Deutsch und Portugiesisch – dabei wurden die Beiträge nicht in gleich drei Sprachen veröffentlicht, sondern sie waren jeweils eigenständige Inhalte nur für die Sprecher einer bestimmten Sprache.
Einige Themen waren beispielsweise Terminologiearbeit, Dolmetschen, Übersetzerkonferenzen oder professionelle Übersetzungsprogramme. Ich blicke auf diese Zeit sehr gerne zurück, da habe ich bisher den meisten Spaß als bloggender Übersetzer gehabt. Im jetzt weit entfernten Jahr 2008 gab es noch eine gewisse Unschuld in der übersetzerischen Blogosphäre und die meisten bloggenden Übersetzer haben damals im Unterschied zu heute nicht aus offensichtlich kommerziellen Gründen gebloggt.
Die Resonanz meiner Postings war so groß, dass ich zum Beispiel vom amerikanischen Übersetzerverband zu deren Jahreskonferenz als Referent eingeladen wurde, ein paar neue Verlagskunden gewinnen und die technische Entwicklung eines – heute sehr bekannten – CAT-Tools nach meiner negativen Rezension im Blog ein bisschen beeinflussen konnte.
In den vielen Kommentaren von Kollegen aus der ganzen Welt konnte man außerdem deutlich spüren, dass wir Übersetzer leidenschaftliche Netzwerker sind. Wir hatten einfach Freude daran, eigene Erkenntnisse miteinander zu teilen, über komplizierte terminologische Probleme zu diskutieren, den Stand der Übersetzungsbranche zu hinterfragen sowie unseren Beruf gegenüber der Öffentlichkeit bekannter zu machen. Diese Stimmung habe ich in meinem 2010 aus dem Blog entstandenen Buch „Fidus Interpres“ festgehalten.
Übersetzer sind wissensdurstig

Für meinen nächsten Versuch als bloggender Übersetzer wollte ich mich wieder intensiv mit brasilianischen Kollegen austauschen, daher wurde ausschließlich auf Portugiesisch gepostet. Außerdem sollte der Übersetzer-Blog eine klare Struktur haben und Orientierung für angehende Übersetzer anbieten – daher der Name „Guia do Tradutor“ (wortwörtlich: „Wegweiser für Übersetzer“). Der Blog wurde als Unterstützung für mein zweites, gleichnamiges Buch gedacht.

Während des zweijährigen Bestehens dieses Blogs konnte ich wieder einmal bestätigen, dass Übersetzer sehr wissensdurstig sind. Vor allem junge Studenten, aber auch Quereinsteiger und alte Hasen haben interessante Fragen gestellt, von ihren eigenen Erfahrungen erzählt sowie fundierte Verbesserungsvorschläge zur Beseitigung der Mängel der Übersetzerausbildung in Brasilien gemacht. Wie konnte es anders sein? Im Kern des Übersetzerberufs stehen doch Wissensaneignung und -erweiterung, deshalb ist es nicht verwunderlich, dass Übersetzer ein hohes Maß an geistiger Neugier aufweisen.
Übersetzer wollen Kunden behilflich sein
Aktuell betreibe ich nur noch den vorliegenden Übersetzer-Blog als Bestandteil des Internetauftritts meines Übersetzungsbüros. Der Austausch mit Übersetzerkollegen findet nach wie vor statt – jedoch weniger intensiv – über andere Kanäle wie Facebook, Twitter oder LinkedIn. Der Fokus fällt jetzt deshalb auf Kunden, weil es zum einen sehr viele Blogs für Übersetzer gibt, anderseits ist ein Blog für Auftraggeber im Zusammenhang mit meiner aktuellen Geschäftsorientierung auf das Privatkundengeschäft sinnvoller.
Es gibt hier keine Kommentarfunktion (um den Aufwand mit der Verwaltung personenbezogener Daten gemäß den Datenschutzbestimmungen zu minimieren), der Blog funktioniert eher wie eine professionelle PR-Plattform, in der aber unter anderem hilfreiche Inhalte für meine Kunden veröffentlicht werden sollen. Dass hier die Beiträge je nach Relevanz in drei Sprachen gepostet werden, hilft außerdem, die richtigen Leser zu erreichen.
Offenbar funktioniert diese Kundenorientierung meines Übersetzer-Blogs seit 2014 ganz gut, denn immer wieder höre ich von Kunden, dass sie auf meinem Blog verständliche und Zeit sparende Informationen gefunden haben, beispielsweise zur deutsch-brasilianischen Bürokratie. Genau das wollte ich erreichen. So macht es Spaß, bloggender Übersetzer zu sein.